Mit Beschluss vom 17. April 2025 (Az. S 12 AS 2069/22) hat das Sozialgericht Karlsruhe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Höhe der Regelbedarfsstufen nach § 20 SGB II für die Jahre 2021 bis 2023 geäußert. In dem Verfahren fordert das Gericht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine ausführliche Stellungnahme zur Berechnung und Anpassung der Regelsätze. Zudem wurde die persönliche Anhörung eines zuständigen Referatsleiters des Ministeriums für den 24. Juni 2025 angesetzt.
Zentrale Kritikpunkte des Gerichts:
- Die Erhöhung der Regelsätze zum 1. Januar 2022 um lediglich 0,76 % sei angesichts der teils zweistelligen Inflationsraten verfassungsrechtlich nicht haltbar.
- Für alleinstehende Leistungsberechtigte sei zwischen 2021 und 2023 ein kumulierter Kaufkraftverlust von rund 835 Euro brutto entstanden – trotz pandemiebedingter Sonderzahlungen verbleibe ein Netto-Defizit von etwa 485 Euro.
- Die Methodik des sogenannten Mischindex (70 % Preisentwicklung, 30 % Lohnentwicklung), die veraltete Datenbasis (u. a. 18-monatiger Zeitverzug, nur alle fünf Jahre aktualisierte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) führe zu einer zu langsamen Anpassung an reale Preissteigerungen.
Verfassungsrechtlicher Rahmen:
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2014 (Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12) betont, dass Regelleistungen regelmäßig an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden müssen. Das Sozialgericht Karlsruhe sieht diesen Maßstab in den streitgegenständlichen Jahren nicht eingehalten.
Weitere Schritte:
Sollte das BMAS keine überzeugende Begründung für die aktuelle Berechnungssystematik liefern, erwägt das Gericht, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen. Eine solche Entscheidung könnte weitreichende Konsequenzen für die künftige Regelbedarfsermittlung nach SGB II und SGB XII haben.
Termin vormerken: Die Vernehmung des BMAS-Referatsleiters ist für den 24. Juni 2025 angesetzt.
Quelle:
Beschluss des SG Karlsruhe vom 17.04.2025 – S 12 AS 2069/22:
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