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Bürgergeld unter Druck: Geplante SGB-II-Verschärfungen und wachsende soziale Spannungen

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Die Bundesregierung plant laut Medienberichten tiefgreifende Änderungen im Sozialgesetzbuch II (SGB II). Ziel sei angeblich mehr „Verbindlichkeit“ für Leistungsbeziehende – de facto jedoch könnten die Reformen einen der massivsten Eingriffe in das soziale Sicherungssystem seit Einführung von Hartz IV bedeuten.

Bereits vor der offiziellen Ressortabstimmung wurde ein Entwurf öffentlich, der drastische Leistungskürzungen vorsieht. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Merkur.de vom 19. Oktober 2025 (weitere Infos hier…) sollen künftig 100 Prozent-Kürzungen möglich werden – also der vollständige Entzug von Regelleistung, Mietkostenübernahme und Krankenversicherung.


Von Sanktionen zu „Leistungsversagung“

Statt wie bisher von Sanktionen zu sprechen, wird im Entwurf von einer Leistungsversagung bei fehlender Mitwirkung gesprochen. Wer etwa mehrmals nicht zu Terminen erscheint oder ein Arbeitsangebot ablehnt, soll künftig den Anspruch auf Unterstützung vollständig verlieren.

Lebensmittelgutscheine oder andere Überbrückungshilfen sind nicht vorgesehen. Stattdessen sollen Behördenmitarbeiter Hausbesuche durchführen, um zu prüfen, ob eine tatsächliche Hilfebedürftigkeit besteht.

Kritiker sehen darin eine juristische Umgehung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16), das klare Grenzen für Leistungskürzungen gesetzt hat. Damals entschieden die Richter: Das menschenwürdige Existenzminimum darf nicht unterschritten werden – selbst wenn Betroffene Pflichten verletzen.


„Härter als Hartz IV“?

Nach den bekannt gewordenen Plänen könnten folgende Regeln gelten:

  • Nach zwei versäumten Terminen: Kürzung um 30 %
  • Nach drei Terminen: 100 % Kürzung der Regelleistung
  • Nach vier Terminen oder mehrfacher Ablehnung von Arbeit: vollständiger Wegfall von Regelsatz, Miete und Krankenversicherung

Solche Maßnahmen würden besonders Menschen treffen, die gesundheitliche oder psychische Probleme haben und ohnehin Schwierigkeiten im Kontakt mit Behörden erleben. Soziale Initiativen warnen, dass dadurch Obdachlosigkeit und Überschuldung zunehmen könnten. Auch Vermieter dürften sich künftig noch schwerer tun, Wohnungen an Bürgergeld-Empfangende zu vergeben – aus Angst, dass die Miete durch Sanktionen nicht mehr gezahlt wird.


Gesellschaftliche Folgen und Kritik

Sozialverbände und Armutsinitiativen bezeichnen den Kurswechsel als Rückschritt. Während die öffentliche Debatte häufig von Begriffen wie „Pflichtverletzung“ oder „Eigenverantwortung“ geprägt ist, weisen Fachleute darauf hin, dass Armut in Deutschland selten selbstverschuldet, sondern meist Folge von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder unzureichender sozialer Absicherung ist.

Die geplanten Änderungen könnten, so die Einschätzung vieler Expertinnen und Experten, zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Sie schaffen ein Klima des Misstrauens gegenüber Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.


EU-Bürger*innen im Fokus populistischer Stimmungsmache

Parallel zur SGB-II-Debatte nimmt auch die öffentliche Stimmung gegen EU-Bürger*innen zu, die Bürgergeld beziehen oder sozial schwach sind.
Mehr als 60 Organisationen – darunter Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., Medinetz Mainz, Medinetz Koblenz und die Clearingstelle Krankenversicherung Rheinland-Pfalz – haben deshalb einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht:
👉 mehr Infos dazu…

Darin fordern sie Medien und Politik auf, differenziert zu berichten und populistische Schuldzuweisungen zu unterlassen.

„Armut, unsichere Beschäftigung und Ausgrenzung sind keine Vergehen, sondern Folgen politischer Entscheidungen. Demokratie, Sozialstaat und gesellschaftlicher Zusammenhalt müssen geschützt werden – nicht durch Kriminalisierung, sondern durch faktenbasierte und verantwortungsvolle Berichterstattung.“


Was jetzt zählt

Wenn Sozialleistungen an Mitwirkungspflichten gekoppelt und gleichzeitig verschärft werden, braucht es starke zivilgesellschaftliche Strukturen: Initiativen, Beratungsstellen und solidarische Netzwerke, die Menschen begleiten, bevor sie durch das Raster fallen.

Denn wer Hilfe braucht, sollte unterstützt werden – nicht bestraft.

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